Es ist grau und dunkel, der berühmt-berüchtigte (Berliner) Winter ist hier. Es muss Jahresende sein! Höchste Zeit, sich mit Vitamin D-Tabletten einzudecken, in Feiertagsstimmung zu kommen und 2023 Revue passieren zu lassen. Es war ein weiteres spannendes Jahr im Digitalisierungs-Geschäft, das diesmal weniger von einer Pandemie und Einschnitten in das gewohnte Leben sowie der damit einhergehenden Quasi-Verpflichtung, sich digital besser aufzustellen, geprägt war. Stattdessen waren die technischen Entwicklungen im Bereich der sogenannten Künstlichen Intelligenz populär, ubiquitär und eigentlich unumgänglich. Den Rückblick auf 2023 haben wir trotzdem (noch?) selbst geschrieben.
Nach der Förderung ist vor der Förderung – Ende des Förderzeitraums 2022/2023
Erstmals im Berliner Förderprogramm starteten wir 2022 mit 23 neuen Projekten. Das sind ungefähr doppelt so viele, wie wir üblicherweise im Durchschnitt pro Jahr begrüßen dürfen! Die überjährige Förderung war ein Experiment, das wir länger schon erproben wollten und die Corona-Pandemie lieferte uns den passenden Zeitraum.
Nachdem 2022 bereits die kürzeren Projekte – meist halbjährig – beendet werden konnten, befinden wir uns nun nach knapp zwei Jahren am Übergang zu einem neuen (Förder-)Jahr. Damit stehen weitere 14 Projektpartner:innen vor der Vollendung ihrer Digitalisierungsprojekte. Die Daten aus den Projekten werden sukzessive von den Institutionen veröffentlicht, es lohnt sich also, immer mal auf unserer Projekte-Seite vorbeizuschauen. Ab April 2024 sind dort dann auch die den Projekten zugehörigen Abschlussberichte zugänglich – und natürlich die Projektsteckbriefe des neuen, nun wieder einjährigen, Förderjahrgangs 2024.
Neue Jury
Die Auswahljury für die neuen Förderprojekte 2024 tagte in diesem Jahr erstmals seit fast zehn Jahren in neuer Besetzung: Anke Berghaus-Sprengel (Direktion Universitätsbibliothek Sachsen-Anhalt), Prof. Dr. jur. Ellen Euler (FH Potsdam), Dr. Christian Gries (Landesmuseum Württemberg, Stuttgart), Dr. Michael Hollmann (Präsident des Bundesarchivs) und Dr. Antje Schmidt (Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg) empfahlen 13 Projekte für die 2024er Förderung an die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Ein Fest mit Nullen und Einsen – die große digiS-Jubiläumskonferenz
Im Wonnemonat Mai konnten wir 150 Gäste zu unserer Jubiläumskonferenz am Zuse-Institut Berlin begrüßen. Das Programm bot Einblicke und vertiefende Diskussionen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von digiS und den betreuten Projekten, in die Themen zu Künstlicher Intelligenz und Kulturerbe sowie der partizipativen Gestaltung von Kulturbetrieben. Hier kann die Jahreskonferenz nochmal nacherlebt werden! Es war uns eine besondere Freude, auch den neuen Kultursenator Berlins, Joe Chialo, auf der Konferenz begrüßen zu dürfen. Die Berliner Wiederholungswahl hatte der Kulturverwaltung einen Zuschnitt und eine neue Hausleitung beschert.
Neue Plattformen, neue Formate
Wir sind einen großen Schritt gegangen und viele aus unserem Dunstkreis sind uns bereits vorausgeeilt oder nachgefolgt: Wir haben uns von unserem Account bei X (früher Twitter) verabschiedet und haben eine neue Präsenz bei Mastodon aufgebaut: @digiSberlin@openbiblio.social Wir finden das Konzept des Fediverse gut und passend zu unserem Auftrag und wollen auf diesem Wege ein öffentlichkeitswirksames Handeln fernab von US-amerikanischen Konzernen und/oder Personen (non gratae) ausprobieren.
Ganz weg von solchen Plattformen sind wir jedoch auch wieder nicht – parallel bauen wir unsere Existenz auf Linkedin aus, der Social Media Plattform, die seit 2016 zu diesem kleinen Konzern namens Microsoft gehört. Let’s get busy!
Weiterhin informieren wir natürlich immer noch über unsere Förderprogramm-Mailingliste. Für ein Abonnement reicht eine Mail an uns und hier informieren wir hauptsächlich über unsere eigenen Veranstaltungen und Veranstaltungen aus unserem Netzwerk.
Um uns mit unseren Projektpartner:innen auch außerhalb offizieller Veranstaltungen auszutauschen, haben wir in diesem Jahr den digiS-Stammtisch fortgeführt. Themen und Rahmen des Stammtischs bestimmten unsere Partner:innen: das Spektrum reichte von verschiedenen Themen aus dem Bereich Vermittlung und Präsentation über Normdaten bis zur technischen Umsetzung der Digitalisierung.
Ein weiteres neues Format war die digiS-Summer-School, unser 10-Jahres-Geschenk an unsere Fanbase 😉 Vom 12. bis 17. Juli 2023 nahmen 170 Teilnehmende aus 14 Bundesländern und vielen verschiedenen Institutionen an unseren Online-Workshops und Diskussionsveranstaltungen zu Themen von Daten-Basics bis Zugänglichkeit, von Wikidata bis Kommunikation teil. Mitschnitte und/oder Präsentationen sowie weiterführende Links sind hier für die Nachwelt festgehalten.
Dekolonisierung und Digitalisierung
Der Umgang mit Objekten aus kolonialen Kontexten war auch 2023 ein Thema für uns. Gleich zu Beginn des Jahres eröffneten wir unsere jährlichen Workhops mit einer Veranstaltung in Kooperation mit der Kompetenzstelle Dekolonisierung am Stadtmuseum Berlin und Dekoloniale e.V. In den Vorträgen und der Diskussion ging es um die Frage, wie Dekolonisierung im digitalen Zeitalter in Museen funktionieren und wie die erneute Reproduktion von rassistischem und kolonialem Bias bei der Digitalisierung vermieden werden kann.
In diesem Zusammenhang möchten wir gleich eine Veranstaltung im Februar 2024 bewerben: Im Rahmen des bundesweiten „Netzwerks koloniale Kontexte“ wird am 16.02. ein internationales Informationstreffen stattfinden, um über Forschungs- und Fördermöglichkeiten in Deutschland zu informieren. In diesem Treffen sollen relevante Recherchetools und Datenbanken im Bereich koloniale Kontexte sowie potentielle Drittmittelgebende vorgestellt werden, die es internationalen Kolleg*innen ermöglichen, eigene Projekte und Netzwerke zu finanzieren.
„Künstliche Intelligenz“ und Kulturelles Erbe (KI & KE)
2023 war wahrscheinlich für viele von uns das erste Jahr, in dem wir am eigenen Computer in Kontakt mit einer Künstlichen Intelligenz kamen, spezifisch mit dem Textgenerator ChatGPT und dem Bildgenerator Dall-E2 des US-Amerikanischen Unternehmens OpenAI. Was dabei an Lustigem, Merkwürdigem oder Erstaunlichem herauskam, geisterte das gesamte Jahr durch Printmedien und digitale Aufenthaltsräume. Wundersame Fotos, seltsamer Text und falsche Auskünfte, alles konnte passieren und alles passierte auch, oft gleichzeitig. Wir haben in diesem Jahr gelernt, dass es bei solch dynamischen Entwicklungen beinahe unmöglich ist, jede einzelne Entwicklungsstufe in all ihren Facetten mitzubekommen und waren umso dankbarer für unsere eingespielte Teamarbeit – zusammen sind wir dann doch ganz schön up to date geblieben.
„Kulturinstitutionen benötigen für ihren Auftrag meist keine KI. Eine vertrauensvolle KI benötigt aber (Frei)Räume für Experimente und die kritische Auseinandersetzung. Neben Bildungseinrichtungen kommt den Angeboten von Kulturinstitutionen diesbezüglich eine wichtige Rolle zu, da sie dem Gemeinwohl verpflichtet sind und bei Bürgerinnen und Bürgern ein hohes Vertrauen genießen.“ (Tobias Hochscherf und Martin Lätzel, „KI & Kultur: Chimäre oder Chance?“, S. 187)
Der Einsatz von KI im Kulturbetrieb, die darin liegenden Potentiale für den Bereich des (digitalen) Kulturellen Erbes sowie mögliche Fährnisse, die gesellschaftlichen und sozialen Implikationen dieser Technologie – auch im kommenden Jahr werden uns diese Themen beschäftigen. Denn Verfahren „Künstlicher Intelligenz“ werden auch bei Berliner Kulturerbeinstitutionen eingesetzt. Sei es bei der Automatisierung von Erschließungsprozessen großer Text-, Bild- oder audiovisueller Bestände, bei der Analyse von Dokumenten, Bildbeschreibung oder der Kuration von Daten und Objekten – KI ist aus dem Berufsalltag von Kulturakteur:innen (und natürlich vielen anderen Berufsgruppen) nicht mehr wegzudenken. Wir verstehen unsere Aufgabe in diesem Themenfeld darin, in Fortschreibung unseres mission statements, als Brückenbauerin und (Kompetenz-)Vermittlerin zwischen Technologie und Kultur aufzutreten. 2024 möchten wir zusammen mit unseren Netzwerk- und Projektpartner:innen freie Experimentierräume auf- und ausbauen, um konkrete Anwendungsszenarien von „KI & KE“ zu erproben.
Ein Zertifikat für das Langzeitarchiv EWIG
Im Rahmen des Förderprogramms Digitalisierung ist die Langzeitarchivierung und damit der dauerhafte Erhalt der Daten aus den Projekten ein fester Bestandteil. Das Digitale Langzeitarchiv EWIG vom KOBV und digiS hat nun das CoreTrust Seal für vertrauenswürdige Repositorien erhalten. Dieses Zertifikat ist ein sichtbares Gütesiegel für die Bemühungen von digiS und KOBV, allen Partnereinrichtungen eine zuverlässige und vertrauenswürdige Langzeitarchivierungslösung anzubieten.
Neben den technischen Eigenschaften von EWIG wurden auch rechtliche, finanzielle und organisatorische Aspekte bewertet. CoreTrust Seal ist eine internationale gemeinnützige Organisation, die sich für gemeinsame Standards für nachhaltige Dateninfrastrukturen einsetzt. Die Begutachtung erfolgte durch unabhängige Dritte aus dem Bereich der Datenarchivierung und Datensicherheit.
Ausblick 2024
Wir freuen uns sehr auf unsere neuen Projekte und auf die Zusammenarbeit mit weiteren 13 Berliner Kulturerbeinstitutionen! Gleichzeitig werden wir die Partner:innen, die mit der zu Ende gehenden Förderlaufzeit 2022/23 ausscheiden, vermissen.
Die Ausschreibung des Förderprogramms für 2025 wird voraussichtlich wieder im Frühjahr erfolgen, unser traditioneller Informationstag dazu voraussichtlich im März stattfinden. Hier werden wir auch darüber informieren, ob und wie die Umstellung der Ausschreibung auf ein elektronisches Antragstellungsverfahren erfolgen wird. Und: Jahreskonferenz 2024? digiS-Workshops 2024? Ja. Wir melden uns. Zu den bewährten und neuen Themen bleiben wir kompetente und vorausschauende Ansprechpartner:innen.
Jetzt aber erstmal ab in den Feiertagsurlaub! Wir wünschen allen eine ruhige und erholsame Zeit und einen guten Start in das neue Jahr.
Mit vielen Grüßen vom gesamten digiS-Team
Xenia Kitaeva und Anja Müller